Zurück

Camp 3 - Sabaikalsky Nationalpark 05. - 18. 07. 2007

von Reinhard Mandl

Sibirien?? Kalt, gefährliche Menschen und Bären, mörderische Mücken, schrecklich.... Der größte Schreck war nicht ein hungriger Bär - wir haben nur seine Krallenspuren auf Baumrinden entdeckt, einen halben Meter über unseren Köpfen.

Wir fürchteten auch nicht die kleineren aber einigermaßen gefährlichen weil Krankheiten übertragenden Zecken – nur zwei oder drei von ihnen attackierten Mitglieder unserer Gruppe von 15 Personen, aber sie sind kaum zum russischen, burjatischen oder internationalen roten Saft vorgedrungen, Dank unserer ständigen gegenseitigen Kontrolle.

Auch die mehreren Billiarden von gut trainierten nimmermüden sibirischen Kampfgelsen konnten uns nicht Angst machen, auch wenn wir immer wieder zehn bis zwanzig auf einen Schlag vernichten konnten (jene nämlich die so verwegen waren, durch eine dicke Arbeitshose guter Qualität durchzustechen, und das manchmal flächendeckend).

Selbst die Kühle des Baikalwassers konnte uns nicht unterkriegen. Nach einen Arbeitstag im sibirischen Hochwald unter prächtigen Kiefern und Lärchen, unter frohlockenden Mückenschwärmen und in der sibirischen July-Sommerhitze (!!!) war das (nicht sehr) kalte Seewasser die Befreiung von Mücken, Schweiß und Baumnadeln.

Der beißende Rauch unseres Lagerfeuers war keinesfalls lästig. Es bedeutete Schutz vor den allgegenwärtigen Insekten. Allerdings schickte uns der große Geist des Baikals für ein paar Tage rauchresistente Mücken, vielleicht um uns aufzuzeigen, wer dort der Boss ist.

Der Rauch bewies uns auch den Pawlowschen Reflex, der nicht nur die Speichelsekretion von Hunden bei einem Klingelton vor der Füttern auslöst. Der Reflex bewirkte auch die Speichelproduktion von Campteilnehmern bei Rauchentwicklung in einem sibirische Camp: Kaschaaaaaaaaaa!!!!

Wir haben uns ganz und gar nicht geekelt von den täglichen drei Kaschas, die abwechslungsreich von diversen Campmitgliedern mit Hilfe von russischen und internationalen Ingredienzien geschickt komponiert wurden. Und zum Tschai (Tee) lieferte die Natur noch eigene Produkte: Blätter der Johannisbeere und wilden Thymian.

Nicht erschrocken aber erstaunt waren wir von den ungeheuren Massen an Süßspeisen, die die Russen und Burjaten vernichten konnten. Schokolade mit Nutellaaufstrich - eine von vielen Varianten.

Überrascht wurden wir von der herzlichen Wesensart der Russen und Burjaten, die für uns Westler eigentlich eher das Gegenteil sein müssten... Naja, der Kalte Krieg ist halt noch im Hinterköpfchen... Umwerfende Gastfreundschaft "mussten" wir über uns ergehen lassen, selbst in der Wildnis wurden wir von „Nachbarn“ eingeladen: frisch gefangenen, selbst geräucherten Omul, dazu ein gewisses Wässerchen.....

Fürchten brauchten wir uns keinesfalls vor Sprachschwierigkeiten, denn Dank unseres Übersetzers und den ergänzenden Sprachkenntnissen der Teilnehmer nahm die tägliche Konversation immer einen vergnüglichen und humorvollen Verlauf und ein Kulturaustausch war garantiert (nicht nur zwischen Russen und Westler, auch zwischen Sachsen und Österreichern: Axt oder Beil oder Hacke? Waffel oder Schnitte? Sessel oder Stuhl?)

Selbst die Arbeit konnte uns nicht erschrecken: Stege über Sümpfe bauen und schon vorhandene Wege verbreitern waren unsere Hauptaufgaben, angenehm unterbrochen von reichlich Freizeit, Kascha essen, Süßigkeiten knabbern, manchmal auch Bier trinken (und heimlich im Zelt auch Wodka, aber .... pschsch, nicht weitersagen), im See plantschen, Gitarre spielen, singen, auf die "Heilige Nase" wandern..... Nein die Arbeit konnte uns nicht erschrecken.

Nicht die Arbeit selbst, die Mängel an Material waren manchmal ärgerlich: keine oder zu wenig Nägel, obwohl klar war, dass wir Sumpfstege bauen; nur eine funktionsfähige Kettensäge,... Oder die Philosophie, dass ein Trail 90 cm breit sein müsse und dafür viel von der wichtigen obersten Erdschicht entfernt wird (und dadurch die Erosion begünstig), war für uns Westler bei einem ohnehin gut erkennbaren Weg unverständlich. Und manchmal hatten wir das Gefühl, dass vielleicht sogar zuwenig Arbeit eingeplant war.... Aber schrecklich war das nicht wirklich.

Der größte Schreck und der einzige: Bei Ankunft in Ulan Ude war mein Gepäck nicht da!! Der Schreck hielt genau 24 Stunden an, die jetlagbedingt durch viel Schlaf abgekürzt wurden. Schließlich tauchte mein Rucksack unbeschädigt und vollständig wieder auf.

Darauf folgten zwei Wochen in der Tschiwyrkui-Bucht, einen der schönsten Plätze am See, gemeinsam mit 14 anderen Teilnehmern aus dem westlichen Europa, Russland und Burjatien. Dank eines Businessvisums erkundete ich anschließend noch für weitere sechs Wochen die Baikalregion mit vielen (meist) angenehmen Erlebnissen und Überraschungen.

Kalt? Schrecklich? – Einfach schöööön!

Zurück