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Camp 1 in Narin Atsagat vom 07. - 18.06.2006

von Eberhardt Schott

Als ich im Jahre 2004 das erste Mal vom GBT erfuhr und ab 2006 sowieso ein Ende meines aktiven Arbeitslebens bevorstand, gab es für mich unter diversen ein großes Ziel, den Baikalsee. Da ich von „faulen“ Urlauben absolut nichts halte, kam für mich ein Arbeitseinsatz fernab der Heimat so richtig recht und ich bewarb mich beim Baikalplan für einen solchen Einsatz. Nachdem mein Topfavorit (Camp 27, Bargusin) wegen der Altersbegrenzung in absolute Ferne gerückt war, habe ich mich für Camp 1a in Atsagat entschieden, obwohl dieses mit dem Baikalsee überhaupt nichts zu tun hat und ich eigentlich direkt am See arbeiten wollte. Meine eigene Tour führte mich dann aber im Anschluss an das Workcamp um den gesamten Südzipfel des Baikalsees, sodass mein Traum vom Baikal doch noch Wirklichkeit werden konnte. Dazu später mehr.

An dieser Stelle währe vielleicht noch erwähnenswert, dass meine Frau und ich in früheren Zeiten mehrmals Urlaub in der damaligen Sowjetunion gemacht haben und ich zweimal jeweils ca. ein halbes Jahr in Moskau gearbeitet habe. Dies ist durchaus von Bedeutung, um die jetzigen Erlebnisse einordnen zu können. Jetzt habe ich die durchaus verständliche Erfahrung machen müssen, dass das Leben in Russland viel härter und rauer geworden ist und sich dies durchaus auch auf die Besucher des Landes auswirkt. Aber dies nur nebenbei.

Schon vor der Reise habe ich 3 weitere Teilnehmer am Camp in Atsagat kennen lernen können. Es ist auf jeden Fall von Vorteil, wenn man diverse Dinge im Vorfeld der Reise gemeinsam besprechen bzw. in Angriff nehmen kann. Dies betrifft in der Hauptsache Fragen zur Visabeschaffung und zur Planung der Verkehrsmittel.

Nun zum Ablauf der Reise mit einigen Anmerkungen:
Start war am 1. Juni zusammen mit Petra und Holger auf dem Flughafen Berlin/Tegel mit Ziel Moskau/Domodedovo. Am Abend ging es dann weiter mit der Transsib in Richtung Ulan-Bator. Beim Entern des Zuges musste man eine bestimmte Hartnäckigkeit an den Tag legen, sonst währe der Zug ohne uns abgefahren. Erst der Natschalnik kannte sich scheinbar mit unseren Reisepapieren – Euro-Domino Ticket und Platzreservierung, gebucht und erworben bei der DB – aus und gab uns dann grünes Licht.Es ist jedem, der es zeitlich einrichten kann, zu empfehlen, sich Sibirien mit der Bahn zu erschließen. In den reichlich 4 Tagen hat man genügend Zeit, sich von der gewohnten Umgebung und der Hektik Mitteleuropas zu lösen und sich auf die kommenden Dinge und Erlebnisse einzustellen. Zu sehen gibt es aus dem Zugfenster und auf den Bahnhöfen auch eine ganze Menge. Jedenfalls war die Bahnfahrt für mich ein schönes Erlebnis.

Am 5. Juni kamen wir mittags (Ortszeit) in Ulan Ude an, wurden abgeholt und zu unserer Wunschunterkunft, dem Hotel Burjatia, geleitet. Das Hotel hatten wir über den GBT reservieren lassen. Dank nochmals dafür! Aber hier erlebten wir die erste leichte Ernüchterung:

1. Relativ teuer, 2. Kein warmes Wasser, 3. Sehr unfreundliches Personal aber 4. Sehr zentral und verkehrsgünstig gelegen.

In Ulan Ude gab´s ein kleines Programm für uns, zu dem auch der Besuch des Freilichtmuseums gehörte. Ochir stand uns mit Rat und Tat zur Seite. Ohne ihn hätte ich es zum Beispiel kaum geschafft, meine American Express Reiseschecks in bare Rubel umzutauschen. Also Finger weg von solchen exotischen Reiseschecks. Geld gibt's ansonsten in vielen Banken im direkten Umtausch oder am Automaten.

Am 7. Juni war dann am Big Lenin das Treffen zur gemeinsamen Abfahrt nach Atsagat, welche sich letztendlich etwas komplizierter als gedacht gestaltete, da sie ja mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgen sollte. Also rein in die Marschrutka raus aus der Marschrutka, warten auf die nächste und das ganze von vorn usw. usf. Letztendlich also die schweren Rucksäcke geschultert (meiner hatte beim Einchecken in Berlin 18,5kg) und quer durch die Stadt marschiert auf der Suche nach der Abfahrtsstelle vom regulären Bus. Diese wurde, welch ein Wunder, dann auch gefunden und ab ging´s ins Abenteuer Atsagat. Dank unseres Trainings in der Transsib erfolgte alles in einer stoischen Ruhe und Gelassenheit. Wir sind dann auch irgendwann in der "Wildnis" – aber für meine Begriffe einer schönen und interessanten Wildnis was die Landschaft anbelangt – angekommen und sahen von weitem den Tempel am Berghang, unser Betätigungsfeld für die nächsten 10 Tage.

Frohen Mutes und voller Tatendrang ging es den Berg hinauf, ab in´s Kloster zu den Buddisten. Als wir alles in Augenschein genommen hatten, setzte eine absolute Ernüchterung und Lähmung ein. Jeder zog sich irgendwie zurück und für die nächsten Stunden ward kein Wort mehr gewechselt. Der Grund dafür war der, dass die äußeren Umstände (hier speziell Schlafplätze und Küche) doch etwas sehr weit entfernt von unseren Gewohnheiten bzw. Vorstellungen lagen. Im Nachhinein betrachtet – und es war ja auch so – lässt sich aber alles irgendwie regeln und durch persönliche Initiativen und Improvisationen angenehmer gestalten. Gerade darin liegen ja auch Reiz und Abenteuer einer solchen Reise. Sei es drum: Wir waren eine unwahrscheinlich dufte Truppe und alle Tätigkeiten gingen Hand in Hand was die eigentliche Arbeit und darüber hinaus die Gestaltung der Freizeit anbelangte.

Wir, das waren: Petra und Holger, Andreas und ich aus old Germany; Zaeyra, aus der Schweiz angereist; Jewgeni, Germanistikstudent aus Irkutsk; Ochir als Dolmetscher (Russisch / Deutsch); Igor als unser aller Chef.

Unsere Hauptaufgabe sollte das Bauen von Stupas sein, was u.a. Kenntnisse und Erfahrungen in Zimmermannsarbeit und Umgang mit Beton voraussetzte. Hierzu waren wir erstaunlicherweise und durch eine zufällige und glückliche Fügung hervorragend aufgestellt. Alles flutschte wie am Schnürchen und hat sehr viel Spaß bereitet. Nur wurden wir immer wieder in unserer Arbeitswut ausgebremst, so dass dadurch viel unfreiwillige Freizeit entstand. Diese habe ich persönlich für sehr weite und ausgedehnte Wanderungen genutzt.

Für die sehr uneffektive Arbeit kann meiner Ansicht nach keiner vom GBT verantwortlich gemacht werden. Auch die beiden Mönche vom Kloster trifft keine Schuld. Das Problem liegt bei den Verantwortlichen für den Tempel, d.h. den höher gestellten "Würdenträgern", die es allerdings sehr gut verstanden, sich an den kulinarischen Kostbarkeiten der burjatischen Küche zu laben (was allerdings auch wieder sein Gutes für uns hatte). Schade, alle Teilnehmer hätten gerne sehr viel mehr gearbeitet und wollten eigentlich deutlichere Spuren ihrer Tätigkeit hinterlassen.

Trotzdem hat es allen im Workcamp gut gefallen und für meine Begriffe ist so ein Einsatz dazu angetan, interessante Menschen, andere Kulturen und andere Länder kennen zu lernen und zusätzlich auch noch etwas Bleibendes zu schaffen. Dies zum Arbeitseinsatz, der am 17. Juni und nicht wie geplant am 18. mit der Rückreise nach Ulan Ude endete.

Für mich stand von Anfang an fest, dass ich mich nach dem Camp bis zu meinem geplanten Rückflug am 27. Juni von Irkutsk aus noch eine Weile in Sibirien – jetzt wirklich am Baikalsee – herumtreiben werde. Ab nun war ich völlig allein und auf mich selbst angewiesen. Ich möchte auch nicht verschweigen, dass mich mein Vorhaben im Vorfeld der Reise doch so manch schlaflose Nacht bereitet hat.

Mit einer Marschrutka ging es am 17. Juni nonstop von Ulan Ude über ca. 350 km mit rund 6 Std. Fahrtzeit weiter bis Sludjanka. Hier Besuch des sehenswerten Mineralien-Museums und Übernachtung in der dem Museum angeschlossenen Herberge.

Mein Plan war der, mit der auf der alten Strecke der Transsib täglich verkehrenden Bahn 2-3 Stationen reinzufahren und dann zu laufen mit Übernachtung im eigenen Zelt bis Port Baikal. Dieser Plan fiel buchstäblich ins Wasser. Bei Dauerregen und Temperaturen von 6-7 Grad C wollte ich mir das nicht antun. Also war Umdisponieren angesagt und ich bin erst mal durchgefahren bis Port Baikal. Auch die Fahrt mit der Bahn entlang der historischen Linienführung ist eine absolute Sehenswürdigkeit. Nur wäre mir halt die Erkundung zu Fuß lieber gewesen. In Port Baikal habe ich dann noch 2 Nächte ausgeharrt um dann evtl. die Strecke rückwärts aufzurollen. Aber der Regen hörte nicht auf und erst als ich am 20. Juni über die Angara übersetzte besserte sich das Wetter.

Nach einer Nacht in Listwjanka ging es weiter bis Bolschije Koty und dies jetzt bei eitel Sonnenschein und einer Bullenhitze. Von hier aus erreichte ich am folgenden Tag Kadilnaja, meinen nördlichsten Punk am Westufer des Baikalsees. Ab hier ging es dann nur noch zielstrebig - wiederum über Listwjanka und einem Abstecher ins Freilichtmuseum in Talzy -nach Irkutsk.

Auf der Tour bis nach Kadilnaja habe ich endlich gefunden was ich gesucht habe: Baikal pur. Die Eindrücke sind kaum zu beschreiben. Man muß die Faszination der Landschaft einfach erlebt haben.

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